Von Reinhold Gruninger, Schulleiter a.D.
Erinnerungen eines im Krieg geborenen
Jetzt, da ich älter bin, kommen die Erinnerungen an früher doch sehr oft. Wie war das damals, an was erinnere ich mich? Was weiß ich aus Erzählungen anderer?
Die erste Erinnerung, die ich habe, war an ein Ereignis wohl im Mai 1945. Ich stehe mit Hormanns Koathrine an der Hand am Kreuz, gegenüber dem alten Rathaus. Auf den Straßen sind viele Menschen. Aus Londorf kommend fahren riesige Panzer vorüber. Wie ich später erfahren habe, fuhren sie Richtung Treis auf die Mühlwiesen zwischen Allendorf und Treis und lagerten dort.
Auf den Panzern saßen Soldaten. Ein Teil war weiß, und die anderen hatten eine dunkle Hautfarbe. Ich hatte bislang nur auf Bildern Menschen mit dunkler Hautfarbe gesehen. Vor dem Krieg befand sich in unserem Haus ein Kaufladen, ein Konsum. Ich fand auf unserer Läwe zwei große Blechdosen, auf denen waren schwarze Männer, denn auf den Büchsen stand auch Kolonialwaren. Ein anderes Bild war das im Struwwelpeter: Es ging spazieren vor dem Tor ein kohlpechrabenschwarzer Mohr.
Aber so sahen die farbigen Soldaten nicht aus. Sie lachten uns fröhlich an und ihre weißen Zähne blitzten. Die anderen Soldaten, die Weißen, lachten nicht. Den Grund dafür erfuhr ich erst später. Es waren die Folgen der Nazivergangenheit und deren schrecklichen, menschenverachtenden Auswirkungen. Viele Soldaten mögen jüdischen Glaubens gewesen sein, sie alle haben die schrecklichen Bilder der KZs gesehen und hassten die Deutschen. Aber wir Kinder wussten nichts von diesen schrecklichen Taten, und unsere Eltern und Verwandten schwiegen über das Geschehen. Dass die Menschen nicht ausgestorben sind hängt wohl auch damit zusammen, dass wir verdrängen können. Ob das gut oder schlecht ist, mag dahin gestellt sein. Jedenfalls pilgerten wir zu den Lagern der Amis und erbettelten Schokolade, Kaugummi und Kekse und wir bekamen es.
Eine kleine Geschichte aus Erlebnissen im Konsum: Ein...
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